Ruhe

R

Hier findet nichts mehr statt. Der Zirkus ist vorbei, es gibt nichts mehr zu sehen, bitte gehen Sie nach Hause.
Nur mal eben kurz? Na klar, dass ich nicht lache.
Hier von meinem Schaukelstuhl aus ist noch alles in Ordnung. Die Dielen quietschen zwar etwas, aber im entscheidenden Moment kann ich mich voll auf sie verlassen. Der entscheidende Moment ist derjenige, wenn ich auf ihnen vor- oder auch mal zurückschaukle oder auch nur mal einfach dasitze, ohne zu schaukeln. Man muss ja nicht ständig irgendwas machen.

Das Summen der Lampe stört mich nicht weiter. Schaltet man sie ein, dann summt sie vor sich hin, bis man sich erbarmt und sie wieder ausschaltet. Aber das bringt mich nicht aus der Ruhe, ist ja nichts weiter dabei. Es muss das Netzteil oder sowas sein, ich kenne mich da nicht aus. Man hört es auch fast gar nicht. Sie summt, seit ich sie gekauft habe. Ein - Summen. Aus - Ruhe. Ich habe mich daran gewöhnt und würde mich eher wundern, wenn sie mal wider Erwarten nicht summte. Vielleicht ist es auch das Kabel, irgendwas mit einem Magnetfeld oder so. Stelle ich sie an, kann ich mich jedenfalls auf ein Summen der Extraklasse gefasst machen, und es hört einfach nicht auf, bis ich sie wieder ausschalte.
Und manchmal hört es selbst dann nicht auf, weil das Summen von der Lampe irgendwie in meinen Kopf übergesprungen ist wie ein Katzenfloh, und es summt in meinem Schädel, bis ich auf ihn einhämmere und mich dann erschöpft in meinem Schaukelstuhl zurücksinken lasse. Dann ist wieder Ruhe.

Wenn dann noch ein paar Spatzen vor dem Fenster geschäftig miteinander um die besten Plätze in der Hecke wetteifern, kann ich mich ganz der Erholung hingeben. Diese pfiffigen Burschen machen mir bewusst, dass ich um nichts wetteifern muss, denn den besten Platz in meinem Schaukelstuhl habe ich bereits gefunden. Während ich selbst schon fast hinwegdämmere, ist es ein Genuss, aus den Augenwinkeln zu beobachten, wie drollig sie auf den grünen Zweigen umherhüpfen und zetern und sich verfolgen und anscheinend alle Spatzen aus der Nachbarschaft anlocken, die einen Mordsradau veranstalten, bis die ganze Vogelschar so schnell vor meinen Augen hin- und herfegt, dass ich flimmernde Bilder auf meiner Netzhaut habe.
Bei diesem ganzen verflixten Spektakel kann ich kein Auge zumachen, also bummere ich verzweifelt an das Fenster, bis die Meute verschwunden ist. Dann sacke ich wieder in meinen Schaukelstuhl und kann endlich Energie tanken.

Es ist ein sicheres Gefühl, wenn ich weiss, dass nichts bevorsteht und nichts getan werden muss. Es ist alles erledigt, ich habe den Rasen gemäht und die Fenster geputzt, den Abfall hinausgebracht und den Herd ausgemacht. Der vollkommene Augenblick ist keiner, der noch kommen wird - es ist der jetzige, wenn ich ruhig in meinem Schaukelstuhl sitze und weiss, dass ich an alles gedacht habe. Der Herd ist aus, die Verstopfung im Regenrohr ist beseitigt, das Treppengeländer ist neu lackiert, es steht alles zum Besten. Ich habe an alles gedacht. Ich bin mir ganz sicher, dass der Herd aus ist, ich habe ihn schliesslich selbst ausgemacht. Ich mache ihn immer aus, es ist mir schon so ins Blut übergegangen, dass ich gar nicht darüber nachdenken brauche. Mit Sicherheit habe ich ihn ausgemacht, ich brauche gar nicht extra nachzuschauen, es ist alles in Ordnung. Es wäre Quatsch, jetzt aufzustehen, um nachzusehen, ob er auch wirklich aus ist.
Ich stehe seufzend auf und sehe nach. Natürlich ist er aus, also flätze ich mich wieder in meinen Schaukelstuhl und schliesse genießerisch die Augen.

Ich liebe es, wenn die Sonne einen rötlichen Farbton auf meine Lider tupft. Mir vermittelt es immer das Gefühl, letztlich doch noch gewonnen zu haben. Kein Summen, keine Vögel und keine Gefahr, dass das Haus abbrennt. Die Sonne liebt uns alle gleichermaßen, sie wärmt und vermittelt durch die geschlossenen Augen den Eindruck, als befände man sich in einer warmen roten Frucht. So ist es angenehm. Vielleicht... ach, nein.
Naja, vielleicht ist es doch schon ein bisschen zu hell, ich meine ja nur, durch die Lider und so, ich fühle mich ja schon, als säße ich direkt im Kaminfeuer. Und dann kitzelt es auch noch in meiner Nase. Diese verdammte Sonne ist der Nasenkitzler vor dem Herrn, und jeder weiss, dass die schlimmsten Nieser diejenigen sind, die nicht stattfinden. Wer soll das bloss aushalten?
Ich ziehe die Vorhänge zu und lege mich lieber ins Bett.

Das Kopfkissen ist weich und kuschelig, genauso, wie ich es mag...

DEIN KOMMENTAR
Pandorama